Forschungsthemen
In der Forschung beschäftigen wir uns mit Naturstoffen als wichtige Substanzen für medizinische und biologische Anwendungen. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Naturstoffe als Antibiotika und als anti-Tumor-Verbindungen beschäftigen wir uns vorwiegend mit Naturstoffen, die für diese beiden Indikationsgebiete wichtig sind. Im Vordergrund steht dabei immer die Entwicklung synthetischer Zugänge zu komplexen Verbindungen. Oft müssen dabei Zugänge zu neuen Strukturmotiven entwickelt und in Totalsynthesen eingesetzt werden. Als eine zentrale Reaktion, die den schnellen Zugang zu Naturstoffen erlaubt, haben wir uns intensiv mit der vinylogen Mukaiyama-Aldol-Reaktion beschäftigt.
Da die Synthese immer eine Strukturvorgabe benötigt, haben wir uns zusätzlich mit der Strukturvorhersage basierend auf den Aminosäure-Sequenzen der Enzyme beschäftigt, die für die Biosynthese der Naturstoffe verantwortlich sind. Mit einem sogenannten Hidden-Markov-Modell können nun Strukturvorhersagen mit guter Präzision gemacht werden.
Ein weiterer Aspekt der Naturstoffchemie ergibt sich aus der Kombination „Strukturvorhersage aus den Genen“ und der Fähigkeit, synthetisch prinzipiell jede Struktur synthetisieren zu können. Die isolierten Strukturen sind nicht immer identisch mit denen, die man nach der Analyse der Biosynthese erwarten würde. Es kann vermutet werden, dass diese Diskrepanz einen evolutiven Prozess wiederspiegelt. Durch die Synthese der nicht biosynthetisierten, aber genetisch ablesbaren Naturstoffe, können wir nun gewissermaßen einen Schritt zurück in der Evolution machen und dabei Einblicke in die Optimierung von Naturstoffen bekommen.
Totalsynthese
Unsere Zielmoleküle sind Naturstoffe, die von Mikro- oder Meeresorganismen synthetisiert werden. Für die folgenden Naturstoffe haben wir die Totalsynthese bereits abgeschlossen:
- Aetheramid A, Chivosazol, Chlorotonil A, Corallopyronin A, Haprolid, Kulkenon, Lipomycin, Omphadiol, Tedanolid
Vinyloge Mukaiyama-Aldol-Reaktion (VMAR)
Wir haben für die vinyloge Mukaiyama-Aldol-Reaktion sowohl diastereoselektive als auch enantioselektive Varianten entwickelt. Es können praktisch alle möglichen Substitutionsmuster generiert werden.
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Diastereoselektive VMAR
Tris(pentafluorphenyl)boran-Hydrat (TPPB•H2O) liefert die besten Ergebnisse mit ausgezeichneter Felkin-Selektivität.
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Enantioselektive VMAR
Die enantioselektiven VMARs verwenden unterschiedliche chirale Lewis-Säuren.
Evolutive Untersuchungen von Naturstoffen
Mithilfe der Naturstoffsynthese und der Möglichkeit, aus den Ketoreduktasen die Strukturen der Naturstoffe ableiten zu können, sind wir nun in der Lage auch hypothetische Naturstoffe zu analysieren und biologisch zu untersuchen. Damit können wir tiefere Einblicke erlangen, wie Mikroorganismen Naturstoffe für ihre Bedürfnisse optimieren.
In diesem Zusammenhang haben wir die biologischen Aktivitäten von Iso-Tedanolid und Paleo-Soraphen untersucht. Durch die Generierung eines anderen Lactons kann Tedanolid gleich zwei zelluläre Targets in der Translationsmaschinerie adressieren und ist somit ein stärkeres Zellgift als Iso-Tedanolid, das nur ein Target adressiert.
Mit dem gleichen Konzept wurde Soraphen untersucht. Bei der Analyse der Biosynthesecluster ist aufgefallen, dass die beobachtete Struktur nicht der biosynthetisch erwarteten Struktur entspricht. Durch die Synthese von Paleo-Soraphen konnten wir zeigen, dass diese Verbindung ein komplett anderes biologisches Profil besitzt. Das natürliche Soraphen inhibiert die bakterielle Acetyl-CoA-Carboxylase. Das Paleo-Soraphen hingegen verhält sich wie ein Topoisomerase-Inhibitor. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Mikroorganismus durch strukturelle Änderungen der Naturstoffe andere zelluläre Targets adressieren können. Dieses ist ein weiteres Beispiel der Stärke der Naturstoffsynthese. Mit Hilfe der gezielten Generierung von Verbindungen können ganz gezielt biologische Fragestellungen beantwortet werden.
Statistische Strukturvorhersage
Unsere Strukturvorhersage gilt für Typ I-Polyketide. Durch die Analyse der Ketoreduktasen können sowohl die Konfigurationen der sekundären Alkohole als auch die der benachbarten Methylgruppenverzweigungen mit guter Verlässlichkeit vorhergesagt werden.
Hidden-Markov-Modell
Das verwendete Modell und der dazugehörige Datensatz sind online zur Nutzung verfügbar. Die Aminosäuresequenz der betreffenden Ketoreduktase wird in die entsprechende Zeile eingefügt und das Programm gestartet. Anschließend wird sowohl der Deskriptor (Fischer-Nomenklatur) D/L ausgegeben und ein absoluter Betrag als Maß für die Verlässlichkeit der Vorhersage.
Idealerweise beginnt die eingegebene Sequenz mit der Position TGGT bzw. einer entsprechenden Aminosäuresequenz und endet im Bereich von AWG.
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